Nach wie vor ist die Begeisterung für Maria Sibylla Merian (1647-1717), Künstlerin und Begründerin der modernen Insektenforschung, groß. Im Jubiläumsjahr 2017 ergab sich für das Forum International des Nürnberger BUND Naturschutzes zusammen mit Kindern und Lehrerinnen der Merianschule Nürnberg eine schöne Gelegenheit, die Erinnerung an der „Merianin“ mit praktischem Naturschutz zu verbinden. Im Mai legten sie gemeinsam ein kleines Schmetterlingsbeet am BN-Heilkräutergarten am Hallertorzwinger an. Neben Nektarpflanzen für Schmetterlinge wurden auch Fresspflanzen für Raupen gepflanzt. Denn während Schmetterlinge nicht wählerisch bei der Nahrungssuche sind, haben sich ihre Raupen oft stark spezialisiert. Würde man zum Beispiel die meist als Unkraut bezeichnete Brennnesseln ausrotten, hätten es solch schöne Falter wie das Tagpfauenauge und der Kleine Fuchs sehr schwer.
Die Nürnberger Merian-Forscherin Frau Margot Lölhöffel hatte die Idee, diese Aktion zu erweitern, und so entstand „MERIANIN 2018+“. Das Konzept: Maria Sibylla Merian wird als symbolische Schirmherrin für den Lebensraum für Insekten und Blütenbeete eingesetzt. Da ich das eine ausgezeichnete und zudem sehr wichtige Idee finde, habe ich Frau Lölhöffel gefragt, ob Sie bereit ist, für meinen Blog ein paar Fragen zu diesem tollen Projekt zu beantworten. Und das war sie!
VN: Die Initiative MERIANIN 2018+ hakt gleich bei zwei aktuellen Ereignissen an: 2018 ist es 350 Jahre her, dass Maria Sibylla Merian in Nürnberg ankam. Außerdem wurde Ende 2017 bekannt, dass der Insektenbestand in Deutschland um ca. 75% zurückgegangen ist. Wie kamen Sie auf die Idee, beides zu kombinieren?
ML: Schon seit Beginn des neuen Jahrtausends weisen Fachleute mit immer stärkerem Nachdruck auf das bedrohliche Insektensterben hin. Zu meinen Merianin-Recherchen gehörten auch viele Kontakte zu Biolog*innen und speziell zu Entomolog*innen. Das Problem drängte sich immer mehr auf und ermutigte mich 2017 bei meinen Vorträgen und Rundgängen zu einem Experiment: Lassen sich Teilnehmer und Zuhörer bei einem historischen Thema auf solche aktuelle Gegenwarts-probleme ansprechen? Meine Samentütchen für schmetterlingsfreundliche Pflanzen und Informationsbroschüren zur Erhaltung der Artenvielfalt vom BUND Naturschutz waren sehr gefragt.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der Merianschule mit dem BUND Naturschutz und die Einweihung des 'Merianin-Beetes' auf der Stadtmauer waren ein weiterer Denkanstoß, um das geschichtliche Interesse an der Merianin nachhaltig mit aktuellen Bemühungen um den Artenschutz von Insekten und folglich um die Lebensgrundlagen für Vögel zu verbinden. Zusammen mit meinem Mann überlegte ich, wie wir das Interesse an der Merianin als symbolische 'Schirmherrin' über das Gedenkjahr 2017 hinaus zu neuen Initiativen bündeln könnten. Mir fiel ein, dass 2018 für Nürnberg ein besonderes Jubiläumsjahr sein könnte, weil Johann Andreas Graff 1668 – also genau vor 350 Jahren – mit seiner jungen Frau Maria Sibylla und Tochter Johanna Helena von Frankfurt in seine Heimatstadt zurückkehrte. Die Redakteurin der regionalen Halbjahreszeitschrift Mauersegler vom BUND Naturschutz ermutigte mich zu einem Artikel und damit wurde 'MERIANIN 2018+' öffentlich. VN: Der Startschuss für MERIANIN 2018+ war also das Anlegen eines Merian-Beetes durch die Nürnberger Merianschule. In Ihrer Broschüre stellen Sie das Distelfalter-Projekt für Schulklassen vor. Gibt es (konkrete) Pläne, mit weiteren Schulen zusammen zu arbeiten und z.B. weitere Merianbeete in Schulgärten anzulegen? ML: Die Zukunftsstiftung der Sparkasse Nürnberg hat uns wenige Tage vor Weihnachten 2017 die Mittel für ein dreijähriges Programm mit Kindern und Jugendlichen zur Verfügung gestellt. Die Kontakte zu Schulen wollen wir in diesem Zeitraum kontinuierlich ausbauen. Gerade heute schrieb mir Herr Stefan Mümmler, unser Umweltpädagoge, dass er bereits mehrere Termine mit Schulklassen für sein Distelfalterprogramm (in unserer Broschüre auf S. 21) vereinbart hat. Im Laufe dieses Jahres werde ich sicher noch mehr, auch über Aktivitäten im Kindermuseum, berichten können. VN: Würden Sie mir zum Schluss noch verraten, wann und wie Ihre Begeisterung für die Merianin entstanden ist? ML: Jahrzehntelang habe ich im Amt für Internationale Beziehungen versucht, unseren Gästen aus aller Welt ein lebendiges Bild unserer Stadt Nürnberg zu vermitteln. Nach meiner Pensionierung arbeite ich weiter als Stadtführerin (ich sage lieber 'Stadtbegleiterin'). Seit langem interessiert mich die 'weibliche Seite Nürnbergs', also der Beitrag der Frauen zur Entwicklung unserer Bürgerstadt. Die Mitarbeit der Frauen war in vielen Jahrhunderten unentbehrlich in den Werkstätten der Handwerkerfamilien und den Handelskontoren der Kaufleute. Maria Sibylla Merian – wir nennen sie gern historisch korrekt die 'Merianin' – ist ein besonders gutes Beispiel, dass sogar die Leistungen von Künstlerinnen und Forscherinnen in unserer bildungshungrigen und sammelfreudigen Stadtgesellschaft geschätzt wurden. Als 2013 ein kleiner Garten auf dem Gelände der Kaiserburg neu gestaltet und öffentlich zugänglich gemacht werden sollte, fand ich – gerade noch rechtzeitig – heraus, dass dort der Familiengarten von Johann Andreas Graff und seiner Ehefrau Maria Sibylla war. Schnell fand ich Verbündete, z.B. den Verein der Altstadtfreunde Nürnberg. Zusammen konnten wir den damaligen bayerischen Finanzminister und jetzigen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder überzeugen, dass 'Maria-Sibylla-Merian-Garten' ein attraktiverer und historisch bedeutsamerer Name ist als das ursprünglich geplante 'Hochzeitsgärtlein'. Alle Pflanzen des Gartens sind den Büchern, die Maria Sibylla Merian publiziert hat, und ihren Zeichnungen entlehnt. Sogar tropische Pflanzen ihrer Südamerika-Reise sind in diesem Garten zu finden.
Gleichzeitig musste ich jedoch feststellen, dass die Nürnberger Zeit der Merianin fast unerforscht und mit viele Vorurteilen sowie Fehleinschätzungen belastet war, die nicht nur in historischen Romanen sondern auch in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder abgeschrieben wurden. Es war viel Arbeit, die Fakten in Archiven, Bibliotheken und Museen zu finden. Das Ergebnis: ein langer, dreiteiliger Aufsatz in den Nürnberger Altstadtberichten 40/2015, 41/2016 und 42/2017 über 'Maria Sibylla Merianin und Johann Andreas Graff – Gemeinsames und Trennendes' mit ca. 400 Hinweisen zu den Quellen in Endnoten.
In ihrem 300. Todesjahr 2017 wurde die Merianin mit Ausstellungen, Vorträgen und Stadtrundgängen in Nürnberg ausgiebig gewürdigt. Sogar der großartige Stadtbild-Maler Johann Andreas Graff, der bisher in der Literatur als gewalttätiger Trunkenbold und leistungsschwacher Versager verunglimpft wurde, erhielt 316 Jahre nach seinem Tod eine erste eigene Ausstellung. VN: Frau Lölhöffel, haben Sie vielen Dank für Ihre Zeit und für Ihren Einsatz – für die Nürnberger Geschichte, für die Bekanntheit der Merianin und Johann Andreas Graff, und für den Erhalt der Insekten! Möchten Sie bei sich zu Hause auch ein 'Merian-Beet' anlegen, dann finden Sie nützliche Tipps auf der Projektwebseite und in der MERIANIN 2018+ Broschüre! Comments are closed.
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